40 Jahre HfpK e.V. - Ein Rückblick von Hildegunt Schütt

2020 feierte unser Verein HfpK e.V. Bonn Rhein/Sieg – Förderung seelischer Gesundheit durch Prävention, Beratung und Training bereits sein 40-jähriges Bestehen.

Zu diesem Anlass hat Angela Ehlert sich mit Hildegunt Schütt unterhalten, Gründungsmitglied des HfpK e.V. und Ehrenvorsitzende. Daraus ist der nachfolgende Text von Hildegunt Schütt hervorgegangen.

Hildegunt Schütt verstarb am 01.11.2021 mit 95 Lebensjahren. Alle, die sie kennenlernen durften, gedenken ihrer nach wie vor mit warmen Worten und einem Lächeln auf dem Gesicht.

Liebe Hildegunt, wie kam es zur Gründung unseres Vereins, dem HfpK e.V.?

Ohne das wegweisende Buch „Freispruch der Familie“ von Professor Klaus Dörner sowie die „Psychiatrie-Enquete“ von 1975 wäre es wohl nicht zur Gründung unserer Angehörigenselbsthilfegruppe, geschweige denn des HfpK e.V. gekommen. Diese Impulse waren für uns sehr wichtig, denn die Anerkennung und Wertschätzung für Angehörige war zu diesem Zeitpunkt längst noch nicht gegeben. Man gab ihnen oft die Schuld an der Erkrankung des Familienmitglieds, unterstellte ihnen Fehlverhalten im Zusammenleben mit den Kranken und missachtete ihren Stellenwert als unterstützende Faktoren. So wurden auch die ersten Versuche, therapeutische Gruppen für Familienangehörige zu etablieren, durchaus nicht an allen Kliniken gerne gesehen. Vorarbeiter/-innen waren hier Fachleute wie Prof. Dörner, Dr. Egetmeyer oder Constanze Könning, doch Angehörige wurden überwiegend als störend betrachtet.

Ich selbst habe diese belastende Situation in der Familie nur zu gut kennengelernt, denn ich bin seit 1977 eine betroffene Angehörige. Damals erkrankte eine meiner Töchter seelisch und ich fühlte mich kaum unterstützt. Mir wurde klar, dass sich dringend etwas ändern musste. Eines Tages gab es den ersten Lichtblick. Die Ärztin meiner Tochter, Frau Dr. Goebel, sprach mich an und meinte: „Die Rheinische Hilfsgemeinschaft unter dem Vorsitz von Dr. Dutschewska hat alle Angehörigen der Landesklinik [heute LVR-Klinik] zu einer Sitzung eingeladen. Gehen Sie doch hin, vielleicht können Sie etwas bewirken.“ Das tat ich und wir Angehörigen wurden freundlich aufgenommen. Wir konnten uns austauschen und vernetzen. Nachdem wir an einigen Sitzungen teilgenommen hatten, wurde uns bewusst, dass wir einen eigenen Verein benötigten, wollten wir unsere Belange nachhaltig vertreten.

So wurde am 05.11.1980 unser Verein HfpK e.V. gegründet.

Welche Ziele hatte der Verein im Blick und welche Projekte und Maßnahmen wurden daraufhin initiiert?

In den Anfangszeiten stand für uns die Unterstützung und Begleitung der Angehörigen seelisch erkrankter Menschen an erster Stelle. Wir wurden eine Anlaufstelle für Austausch und Teilhabe und bald etablierte sich unsere Angehörigenberatung als eine unserer Maßnahmen. Sie entstand durch Angehörige, die, inspiriert durch die Angehörigentreffen in der Landesklinik und gewappnet mit ihren eigenen Erfahrungen, andere Angehörige beraten wollten. Wer selbst erlebt hat, was es bedeutet, ein betroffener Angehöriger zu sein, kann aus diesem Erleben heraus Menschen gut erreichen und unterstützen. Dieses Engagement trägt auch heute noch viele Angehörige, sei es im Angehörigenkreis oder in unserer persönlichen oder telefonischen Angehörigenberatung.

Außerdem engagierten wir uns bewusst schon zu Beginn kommunalpolitisch und hatten die Belange der betroffenen Bonner Bürger/-innen im Blick. Dabei fiel uns folgendes auf: Zu Beginn der 80er Jahre gab es nur Werkstätten für geistig und körperlich behinderte Menschen. Es gab aber kein Angebot für seelisch erkrankte Menschen, die aufgrund ihrer Erkrankung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht Fuß fassen konnten. Uns als Angehörigen erschien es logisch, dass psychisch erkrankte Menschen eine eigene spezielle Förderung brauchen, um (wieder) berufstätig zu werden. Wir ließen uns dies von Fachleuten bestätigen und 1983 wurde mit deren Gutachten als Basis das „Externe Arbeitstraining“ ins Leben gerufen. Heute beraten unsere Fachkräfte wie Sozialpädagogen und -pädagoginnen, Psychologen und Psychologinnen etc. Menschen mit psychischen Erkrankungen und unterstützen sie bei ihrem (Wieder-)Einstieg ins Arbeitsleben.

Politisch relevant für den HfpK e.V. war immer auch die Antistigmatisierungsarbeit. Es war uns ein großes Anliegen, das Thema Seelische Erkrankungen schon früh bei jungen Menschen aus der Tabuzone zu holen. Als unser Bundesverband uns darauf hinwies, dass es kaum eigene Informationsangebote über seelische Erkrankungen an Schulen in Bonn und im Rhein/Sieg-Kreis gab, nahm sich unser langjähriger, stellvertretender Vorsitzende Uwe Flohr des Bedarfs an. Sehr engagiert und mit kreativen Ideen hob er 2008 das Projekt „SEELE trifft auf Schule“ aus der Taufe. Es wurde schon bald zu einem sehr bekannten und gerne genutzten Angebot. Heute gibt es neben „SEELE trifft auf Schule“ noch weitere Schulprojekte. In denen klärt unser „SEELENschule“-Team Schüler und Schülerinnen, Lehrer/-innen, Eltern und Schulsozialarbeiter und -arbeiterinnen über das Thema Seelische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen auf und bietet ihnen Hilfestellungen an.

Der Verein HfpK e.V. hat es geschafft, in den letzten 40 Jahren zu einem festen Bestand des psychosozialen Netzwerks Bonn zu werden. Darauf bin ich, darauf sind wir alle, stolz!

Ein Ausblick und ein Wunsch für die Zukunft

Die Zeit bleibt nicht stehen und mit nun 94 Jahren werde ich mich bald aus dem Vereinsgeschehen zurückziehen. Natürlich bleibe ich dem HfpK e.V. im Herzen weiter verbunden und habe auch einen Wunsch für die Zukunft: Wir leben in einer Zeit der Digitalisierung. Wenn ich mit anderen hauptsächlich virtuell verbunden bin, erscheint es leichter, sich abzuwenden oder zurückzuziehen. Ich fürchte, dass dadurch der echte Kontakt von Mensch zu Mensch und die gemeinsame Verpflichtung einer Sache gegenüber immer mehr verloren geht. Die Corona-Pandemie mit ihren erforderlichen Kontaktbeschränkungen erschwert die Situation zusätzlich. Dabei ist die direkte Begegnung bei uns im Verein so wertvoll und wichtig.

Ich wünsche mir deshalb, dass wir uns in Zukunft wieder mehr persönlich begegnen können und dass sich neue und auch junge Menschen für unser Thema stark machen und im Verein mitwirken. Wir brauchen das Engagement von vielen, um viel erreichen zu können. Deshalb bitte ich Sie, unterstützen Sie uns!

Ich möchte mich bei allen, die unseren Verein bis heute begleitet haben, bedanken. Mit Freude denke ich an all die Menschen, mit denen ich über viele Jahre hinweg zusammenarbeiten durfte.

Herzlichst Ihre Hildegunt Schütt
Ehrenvorsitzende HfpK e.V.

Umschlagbild von "40 Jahre HfpK"
Stand: 2020

40 Jahre HfpK

Jubiläum-Festschrift zu unserem 40-jährigem bestehen.

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